Zentrum und
Hintergrund
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Christoph Merki, Jazz'n'More, Nov./Dez. 2007
Epitaph für einen verkannten Jazzkontrabassisten
Bruno Rub, ehemaliger Jazzredaktor bei Schweizer Radio DRS, erzählt in einem Buch die Geschichte des 1996 versorbenen Schweizer Kontrabassisten Eric Peter. Ein Leben zwischen grosser und kleiner Welt.
Weshalb eine Biografie gerade über diesen Musiker? Nun, man hält dieses Büchlein spätestens dann nicht mehr für unangemessen, wenn man es gelesen hat. Eric Peter war in der helvetischen Jazzszene, zumal bei einer jüngeren Generation, als Name nurmehr wenig präsent, als er im Juli 1996 einsam starb. «Der Teamplayer: Erich Peter 1936-1996». (Untertitel: «Jazzbassist aus Aarau») heisst nun das etwas mehr als hundertseitige Bändlein aus der Feder des langjährigen DRS-2-Jazzredaktors Bruno Rub. Gewidmet ist es einem Menschen, der sein Licht stets unter den Scheffel stellte, zeit seines Lebens wenig bis gar keine Presse bekam. Und das, obgleich er in den 60er und 70er Jahren mit den grössten Jazzern spielte: etwa den US-Amerikanern Dexter Gordon oder Bud Powell.
Rub hat einen liebevollen Nachruf auf Eric Peter geschrieben, auf einen Menschen, dem am Freitag, 19. Juli 1996, auf dem Friedhof Rosengarten in Aarau nur ein knappes Dutzend Leute das letzte Geleit gaben und dessen Urne, so heisst es in den letzten nachdenklichen Worten von Rubs Beitrag, beigesetzt wurde «im namenlosen Gemeinschaftsgrab».
Statt Marschmusik den Reisekoffer
Zusammenarbeit mit den bedeutsamsten Jazzern der 50er- und 60er Jahre – aber ein einsamer Tod im Mittelland-Städtchen Aarau: Rubs Ausführungen sind nicht zuletzt darum lesenswert, weil sie ein Jazzerleben schildern, das exemplarische Züge trägt für die damalige Zeit. Rub hat für sein Buch mit über 30 Zeitgenossen und Weggefährten Peters gesprochen, daneben ausgiebig in Archiven recherchiert.
Noch lange nicht waren die Zeiten angebrochen, als Eric Peter im Aarau der frühen 50er Jahre den Jazz für sich entdeckte, wo man sich an einer Jazzschule einschreiben und nach Schulabschluss als Profi-Jazzer durchaus eine – wenn vielleicht auch nur leidliche – Existenz aufbauen konnte. Im Aarau der 50er Jahre – einer Stadt der Beamten, des Militärs, der farbentragenden Mittelschülerverbindungen und der Kadetten («überall hörte man tagsüber Marschmusik») - feierte der Jazz ein Schattendasein und war Angelegenheit einiger Freigeister. Subkultur im Wortsinn. Und so war klar: «Wer eine professionelle Laufbahn als Jazzmusiker im modernen Stil einschlagen willte, der hatte keine andere Wahl: Er musste ein Leben aus dem Koffer mit vielen Reisen ins Ausland, mit Aufenthalten in schäbigen Hotels und mit äusserst harten Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen.»
Rub schreibt die Geschichte eines in Europa nomadisierenden Jazzmusikers, den seine Leidenschaft nach London, Barcelona, Paris, Den Haag u.a. Zog. Damals gab es in den Jazzclubs noch wochenlange, ja monatelange Engagements. Die unvergänglichsten Aufnahmen Eric Peters sind wohl jene, die er in Barcelona im Trio des bedeutenden, blinden katalanischen Pianisten Tete Montoliu einspielte. Rub zeigt auf, dass Eric Peter in den 60er und 70er Jahren ein europaweit gesuchter Musiker war. Es bestätigt einerseits, was der Zürcher Perkussionist Pierre Favre noch heute sagt: Viele amerikanische Musiker, die in Europa tourten, wollten mit dem swingenden Kontrabassisten mit dem unbestechlichen Timegefühl spielen: Eric Peter. Gewiss muss man in Rechnung stellen, dass es damals noch nicht so viele hervorragende europäische Kontrabassisten gab wie heute. Und dennoch spricht es eine deutliche Sprache, wenn Eric Peter 1959 für Fernsehaufnahmen mit einem Weltklasse-Quintett mit Clark Terry (Trompete) und Bud Powell (Piano) herangezogen wurde. Rub schreibt dazu: «Und den Bass zupfte der kleine Mann mit Heimadresse Hintere Vorstadt 11, Aarau.»
Von der grossen Welt zurück in den Kanton Aargau
Und damit ist eine andere Seite dieses Bandes angesprochen. Bruno Rub, einer der besten Jazzkenner hierzulande, der in seinem Buch wie selbstverständlich auch über die Entwicklungsgeschichte des Kontrabasses referieren kann, der die Vita Eric Peters auch schreibt, indem er sie von den Gesamtzusammenhängen der internationalen Jazzgeschichte und der europäischen Kultur- und Gesellschaftsgeschichte her liest, kurzum: Rub, der den Weitblick kennt, ist zum andern auch ein ausgesprochener Lokalhistoriker. Ja, der Text ist von einer grossen Grundemotion durchdrungen: Gemeint ist nicht mangelnde Sachlichkeit, im Gegenteil, aber eine Liebe zum engeren aargauischen Lebensumfeld, die sich in der akribischen Aufarbeitung pittoresker Details äussert.
Bruno Rub nennt seinen Protagonisten auch gelegentlich «Erich», was im Kontrast steht dazu, dass der Bassist, wie Rub selbst notiert, im ganzen nichtdeutschsprachigen Raum als «Eric» angesprochen wurde wurde (und im Grunde auch in der helvetischen Jazzszene als solcher bekannt war). Dieses Buch ist also auch, im besten und hier überhaupt nicht herabmindernden Sinne des Wortes, ein Stück Aargauer Heimatgeschichte, indem es sorgfältig die Verbindungen eines weitgereisten Mannes zu seiner Heimatstadt aufzeigt. Rub selbst nennt sein Buch im Vorwort neutraler einen «Beitrag zur Geschichte der aargauischen Subkultur im Allgemeinen und des Aarauer Jazz im Besonderen».
Das Buch ist voller Lokalkolorit, zitiert den Aargauer Schriftsteller Hermann Burger, berichtet von der Behutsamkeit Rubs nicht nur gegüber Eric Peter, sondern auch gegenüber seinem eigenen Kanton. Sio reisen wir in diesem Buch mit Eric Peter durch die Welt und finden uns auch immer wieder im Aargau. Kurzum, das Buch verschränkt Weitblick mit der Liebe zum Kleinen. Gerade das macht es so reizvoll und lebendig. Und nict zuletzt der Hinweis darauf, dass es in einer Welt, in der sogenannte «Stars» die Schlagzeilen beherrschen, auch Menschen gibt, die stiller, aber darum nicht unbedeutender wirken.
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Peter Rüedi, Die Weltwoche, 27.9.2007
Später Nachruf auf einen Schattenmann des Jazz, den Aarauer Bassisten Eric Peter.
Die Überwindung der Schwerkraft: Wie dem Kontrabass im Jazz Flügel wachsen, haben seit Jimmy Blanton, Duke Ellington viele Virtuosen bewiesen, namentlich die Schnellfingerkünstler, die in der Nachfolge des ebenfalls jung verstorbenen Scott La Faro ihre Feuerwerke abbrannten. Von Niels Henning Orsted Pedersen, dem Bass-Hexer im Trio von Oscar Peterson, war hier unlängst die Rede (Weltwoche Nr. 36/07). Eric Peter, geboren 1935 in Aarau, gestorben 1996 daselbst, war dessen Gegenteil: ein kleines Gravitationszentrum der Schweizer Jazzszene.
Er war der Inbegriff von Verlässlichkeit, Solidität und einer schon wieder fast professionellen Unscheinbarkeit: ein Bankbeamter aus kleinen Verhältnissen seiner Erscheinung nach, nicht einmal seine verhältnismäsig kontrollierbaren Suchtprobleme , die er sich bei den Ausbrüchen aus der helvetischen Enge nach London, nach Paris, nach Barcelona (fast 15 Jahre) eingehandelt hatte, wollten tragische Ausmasse annehmen. Er war der freundliche, verbindliche, verlässliche Mann im Hintergrund, eine Seele von einem Menschen und ein Musiker von diskreten Gottesgaben. Er gehörte zu den Bassisten, denen die Aufgabe selbstverständlich war, die Kollegen in der Band zu lancieren, ihnen ein Fundament zu bauen, sie zu inspirieren und anzutreiben.
Im amerikanischen Jazz ab den vierziger, fünfziger Jahren gab es eine ganze Reihe solcher Figuren, beginnend mit Oscar Pettiford: Wilbur Ware gehörte dazu, Doug Watkins, letztlich auch Paul Chambers, wenn er nicht gerade zu Flügen auf dem gestrichenen Bass ansetzte; ohne die treibende Kraft von Chambers wären die Combos von Miles Davis in den fünfziger Jahren nicht denkbar gewesen. Peter war bald ein nancherorts gesuchter Mann. Früh spielte er in Paris mit Bud Powell, Barney Wilen, Clark Terry und zuvor schon mit Ronnie Scott und Victor Feldman, in der Schweiz mit George Gruntz, Flavio Ambrosetti und natürlich mit den Kollegen aus seiner Aarauer Nachbarschaft, Umberto Arlati aus Olten und Alex Bally aus Schönenwerd. In Spanien wurde er zum festen Partner des katalanischen Art Tatum, Tete Montoliu, und des Flamenco-Jazz-Pioniers Pedro Ituralde (zu dessen Gruppe auch der ganz junge Paco de Lucia gehörte, der spätere Flamencostar). Er spielte mit Booker Erwin und Ben Webster, Lucky Thompson und Pony Poindexter, verdiente eben mal genug zum Leben, und doch konnte er mit Brecht («Fragen eines lesenden Arbeiters») fragen:»Wer baute das siebentorige Theben? (...) Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?» Er war der Koch, «Cookin» hatte seit der gleichnamigen LP von Miles eine eigene Bedeutung im Jazz.
Am Ende konnte er nicht mehr arbeiten, sein rechter Arm war gelähmt, ein Diabetes mit den obligaten Müdigkeitsanfällen drückte ihn nieder. Am 17. Juli 1996 erschien im Aargauer Tagblatt die Todesanzeige. Im redaktionellen Teil keine Zeile. Ferienzeit. Bei der Beisetzung seiner Urne im namenlosen Gemeinschaftsgrab auf dem Aarauer Friedhof Rosengarten waren keine zwölf Trauergäste enwesend. Jetzt hat ihm der ehemalige Radioredaktor Bruno Rub, selbst ein Virtuose des Understatements, ein schönes, kleines Denkmal gesetzt, ein Büchlein mit dem wenigen, das umfangreiche Recherchen ergeben haben, mit einer Diskografie von Arild Widerøe und einer kommentierten CD mit neun Titeln aus dem, was wir fast eine Jazzkarriere nennen könnten. Und zwei seiner späten Partner, die Posaunisten Paul Haag und Danilo Moccia, haben Aufnahmen von 1988 als «Tribute to Eric Peter» veröffentlicht: swingenden Mainstream, wie ihn Peter sein Leben lang praktizierte. No-Nonsense-Jazz, ab durch die Mitte.
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Beat Blaser, Mittelland Zeitung, 28.9.2007
Das unauffällige Bassspiel war seine Welt
Der Aarauer Eric Peter schaffte in den 50-er Jahren den Sprung zum internationalen Jazzmusiker. Der mittlerweile verstorbene Bassist blieb stets im Hintergrund. Ein Buch würdigt den «Teamplayer».
Wenn einer in der biedermeierlichen Kleinstadt Aarau in den frühen 50-er Jahren Jazzmusiker werden wollte, brauchte er dazu einen ziemlich harten Kopf. Jazz war nun kaum die Musik, die zwischen Kaserne, Regierungsgebäude und Kantonsschule gespielt wurde. Eric Peter schaffte es trotzdem. «Der Teamplayer - Eric Peter, Jazzbassist aus Aarau» heisst eine Monografie, die der Badener Journalist und Ex-Radiomannm Bruno Rub über den bemerkenswerten Musiker geschrieben hat.
Erich Peter wuchs eigentlich durch Zufall in Aarau auf. Geboren wurde er 1935 in Zürich, nach der Trennung von ihrem Mann zog seine Mutter mit ihren zwei Buben nach Aarau, um bei ihrer Schwester unterzukommen. Aarau blieb von da an die «Homebase» für Erich Peter, hierhin kehrte er immer wieder zurück. Schuld daran, dass Erich mit dem Jazzvirus infiziert wurde, trägt ein Onkel mütterlicherseits, der Pianist Hans Greub aus Muri, einer der frühen Jazzpioniere des Kantons. Er spielte Erich vor, und als eines Tages eine unbenutzte Bassgeige im Proberaum herumstand, ermunterte er den 14-jährigen, mitzuspielen. Es scheint Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein und zudem die Offenbarung eines immensen Talentes.
Drei Jahre später auf jeden Fall wurde Erich Peter am Internationalen Amateurjazzfestival in Zürich Zweiter in der Kategorie «Bass – moderner Stil». Zu diesem Zeitpunkt absolvierte er eine KV-Lehre, nach Arbeitsschluss allerdings verkroch sich Eric Peter zusammen mit andern Amateurmusikern in den Jazzkellern in Aarau («Günthi-Keller»), Olten, Basel und Zürich, um zu jammen. Seine Kollegen waren heute bekannte Namen wie zum Beispiel George Gruntz.
Im März 1954 schloss Erich Peter seine Lehre ab, doch statt nach einer bürgerlichen Anstellung zu suchen und weiterhin als Liebhaber zu musizieren, ging er aufs Ganze. Und das hiess damals abzuhauen aus der engen Schweiz, dorthin, wo der Jazz wirklich passierte.
Eigentlich hätte New York das Ziel seiner Wünsche sein müssen, aber die Vereinigten Staaten waren noch unerreichbar weit weg. London konnte als Kompromiss dienen. In kürzester Zeit hatte sich Eric, wie er in England nun hiess, einen guten Namen in der Szene erspielt, und als der Saxofonist Ronnie Scott (der später seinen berühmten Cölub in London gründete) eine professionelle Big Band zusammenstellte, war Eric der einzige Nicht-Brite in diesem Unternehmen. Zwei Jahre tingelte er durchs Vereinigte Königreich, und als er 1956, zurück in der Schweiz, wieder an einem Zürcher Jazzfestival teilnahm, musste er ausser Konkurrenz antreten: Er war kein Amateur mehr.
Das Leben als Profimusiker in jener Zeit allerdings war pickelhart. Eric Peter war als Nomade jahrelang in den Städten Europas unterwegs und spielte in den einschlägigen Jazzclubs. Das hiess, sechs Nächte in der Woche zu spielen, manchmal von abends um neun bis morgens um vier Uhr - in Paris, Rom, Mailand, München oder Frankfurt. Die Liste der Musiker, mit denen er in dieser Zeit arbeitete, liest sich wie ein «Who's who» derjenigen, die damals in Europa aktiv waren. Als Beispiel mag eine Studiosession vom Juli 1960 in Paris dienen: Startrompeter Dizzy Gillespie war dabei, Bud Powell am Klavier und Kenny Clarke am Schlagzeug, drei der Erfinder des Bebop, und Eric Peter am Bass, mit gerade mal 24 Jahren eine Generation jünger als die drei Jazzdenkmäler.
Eric Peter wurde dann doch noch sesshaft. Während 15 Jahren lebte er in Barcelona und war Teil des Tete-Montoliu-Trios; der hervorragende katalonische Pianist schätzte Peters unaufgeregte und solide Begleitarbeit.
Von 1976 bis zu seinem Tod 1996 lebte Eric Peter wieder in Aarau und gehörte als gesuchter Sideman und Begleiter zur Schweizer Jazzszene. Hier setzt die Monografie von Bruno Rub ein. Denn als vor zwei Jahren die grosse Geschichte des Jazz in der Schweiz erschien, war Eric Peter zwar mit zahlreichen Aufnahmen in der Diskografie vertreten, hingegen nicht mit einer biografischen Notiz. Das konnte der Auch-Aargauer Rub nicht so stehen lassen, und er machte sich an die Arbeit.
Dass statt eines kurzen Abrisses dieser aussergewöhnlichen Vita ein ganzes Buch entstand, lag an der Person Eric Peter, eines Musikers, der fast nie im Vordergrund stand, dessen Arbeit aber von den Grössten des Fachs hoch geschätzt wurde. Neben dem Jazzleben in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts findet in Rubs Buch natürlich auch Lokalkolorit seinen Niederschlag, die Aargauer Subkultur steigt aus den Kellern, ein Stück Mentalitätsgeschichte des Kantons findet Eingang in ein höchst vergnügliches und unterhaltend geschriebenes Werk.
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Giorgio Pianzola, Kontrabass Blog, 16.3.2011
Der Bassist Eric Peter
Die Schweiz hat viele Jazzgrössen hervorgebracht. Obwohl wir eigentlich weit von Amerika, der Wiege des Jazz, entfernt sind, ist die Begeisterung und die Liebe zum Jazz in unserem kleinen Land beachtenswert. Der Reichtum und die kosmopolitische Freude an anderen Kulturen haben sicher viel dazu beigetragen. Immerhin gab es hier schon früh Jazzschulen und Musiker, die vom Jazz leben konnten.
Über einen dieser faszinierenden Persönlichkeiten ist nun ein schönes Buch entstanden, das den Lebesweg eines Jazzmusikers mit all seinen Höhen und Tiefen feinfühlig und lebendig erzählt. Das Leben des Jazzbassisten Erich Peter, der schon in jungen Jahren zur professionellen Elite des europäischen Jazz gehörte und in seinem Leben mit vielen herausragenden Protagonisten spielte, interessant geschrieben vom Jazzliebhaber und Kenner Bruno Rub.
Dem Autor gelingt ein Porträt eines Menschen in einer Vielschichtigkeit, die viele Aspekte dieses aussergewöhnlichen Lebens beleuchtet. Die Suche dieses Musikers nach seiner eigenen Ausdrucksweise in einer Zeit, die völlig vom amerikanischen Jazz dominiert war und seine beachtenswerte Arbeit mit vielen Grössen dieser Aera. Aber auch die Arbeit als Lehrer an der Jazzschule Bern, wo ich als Schüler die Ehre hatte, Eric Peter kennenzulernen. Ich war sehr beeindruckt von diesem weitgereisten Menschen, der mit seiner absolut perfekten Time die wunderschönsten Basslinien spielte. Leider war ich als Bassist zu jener Zeit viel zu wenig weit, um auch nur annähernd zu begreifen, welchem Zauberer ich da gegenüberstand. Zudem hatte Eric eine auch im Buch treffend beschriebene Seite, die stark an einen sehr zerstreuten Professor erinnerte. Erst viel später , an einem Abend im legendären Jaylins Club, gingen mir die Ohren richtig auf, und ich entdeckte das meisterhafte Spiel von Eric Peter und seine stete Bereitschaft, der Musik mit jeder Note zu dienen.
Das Buch berührt auch die menschlichen Seiten dieser harten Musikerexistenz. Der Preis, den diese vielen Reisen und der ewige Existenzkampf mit den Jahren fordert. Die Schattenseiten, wenn das Bühnenlicht längst erloschen ist und die Einsamkeit der letzte Begleter ist.
Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der die Musik liebt. Nicht nur die Musik der grossen Bühnen, des Glamours, des Applauses und der grossen Namen. Sondern die Musik, die hier, in unserem Land, gleich um die Ecke, gespielt wird. Von Musikern, die hier wohnen, leben und mit Herzblut ihre Musik spielen.
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Jimmy T. Schmid, Jazztime, Feb. 2011
Über Erich Peter (1935 – 1996) – Jazzbassist aus Aarau
Für einmal sei hier nicht eine Schellack, LP oder CD herausgegriffen, sondern ein Buch. «Der Teamplayer» von Bruno Rub, 2007 in Baden erschienen, ist ein wertvoller Dokumentationsbeitrag zur Geschichte des Schweizer Jazz. Sein Untertitel «Jazzbassist aus Aarau» schafft gleich einen deutlichen Bezug zu Erich Peters Herkunftsort, damals kaum ein Zentrum der Jazzmusik. Eine mit Sorgfalt von Arild Widerøe zusammengestellte Diskografie und eine CD mit neun Musikbeispielen ergänzen die Textinformation in idealer Weise und machen das Bassspiel des viel zu früh verstorbenen Aarauer Bassisten akustisch wieder lebendig.
Bruno Rub musste leider feststellen, dass die schriftlichen Zeugnisse des Lebens und Wirkens von Erich Peter trotz seiner internationalen Bedeutung sehr rar sind und ihn Kritiker meistens nur pauschal zusammen mit dem Schlagzeuger erwähnten. Dies hat ihn dazu bewogen, über den Künstler, zu dessen Leistungen nur spärliche Zeugnisse vorhanden sind, mit einem Buch in einer ausführlichen Art zu berichten, wie er es schon zu Lebzeiten verdient hätte. Es versteht sich von selbst, dass der grösste Teil des gediegenen und typografisch sehr lesefreundlich gestalteten Buches biografisch ausgerichtet ist. Dabei war der Autor, der den Bassisten nie persönlich getroffen hat, auf die Methode der sogenannten «Oral History» angewiesen. Er scheute keinen Aufwand und befragte etwa 30 Leute, deren Namen im Anhang des Buches aufgelisiet sind.
Von Aarau nach Erlenbach
Aus einer ausgiebigen Schilderung von Erichs Jugendzeit, die er zusammen mit seinem ein paar Jahre älteren Bruder verbracht hatte, geht hervor, dass er am 9. Februar 1935 zur Welt kam. Als seine Mutter nach der Trennung von Erichs Vater mit den zwei Buben in die aargauische Kantonshauptstadt zog, war Erich zehn Jahre alt. Als seine Mutter starb, war er zwanzig. Er absolvierte mit Erfolg eine kaufmännische Lehre, doch sein wahres Leben spielte sich in einer andern Welt ab: Durch seinen Onkel, der als Amateur am Klavier Tanzmusik spielte, kam er erstmals – wahrscheinlich noch als Bezirksschüler – mit dem Jazz in Berührung. Der grosse Kontrabass soll ihn gleich fasziniert haben. Für Erich Peters musikalische Entwicklung war Erlenbach am Zürichsee von grosser Bedeutung. In der Villa beim Fabrikantensohn und Drummer Rico Flad wurde bis in alle Nacht hinein musiziert. Als er 1952 mit seinem Freund Umberto Arlati an der Trompete mit der Band «New Sounds Erlenbach» am Jazzfestival Zürich auftrat, wurde er von der Jury mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Solche Erfolge wurden in Aarau kaum registriert. Der junge Musiker spürte bald, dass er für seine Weiterentwicklung auf dem Gebiet des Modern Jazz westwärts ziehen musste.
Bebop in England
Eine Reise in die USA war damals für ein bescheidenes Budget zu kostspielig. Deshalb entschloss sich Erich Peter, sein Glück als Bassist in London zu versuchen. Da gab es einen Bebop-Zirkel , zu dessen Zentrum der Schlagzeuger Phil Seamen gehörte – ein originellerTyp, mit dem sich «Eric from Switzerland» gleich anfreundete. Die treibende Kraft der Bewegung war Ronnie Scott. Der Tenorsaxofonist sah klar, was in Erich steckte, und setzte ihn in seiner Bigband ein. Das war für den ambitiösen Beboper aus Aarau eine willkommene Gelgenheit, im Beruf eines Jazzmusikers vorwärts zu kommen. Doch der Stress des ständigen Herumreisens von einem Tanzsaal zum andern war kaum auszuhalten. Eine vermeintliche Hilfe war die Einnahme von Aufputschmitteln. Dies führte jedoch zu einer Gewohnheit, von der er leider nie mehr gaz boswerden konnte.
Erfolge und Misserfolge
Als Erich Peter nach zweijähriger Abwesenheit aus England zurückkam, gelang es ihm, in der Schweizer Jazzszene wieder Fuss zu fassen. Im Oktober 1957 spielte er zum Beispiel mit der Francis-Notz-Band aus Basel, was glücklicherweise fotografisch festgehalten wurde. Bruno Rubs Buch, das auch eine kurze, doch sehr informative Geschichte des Jazzbasses enthält, zeigt, dass Erich Peters Laufbahn ein Auf und Ab von Erfolgen und Misserfolgen war; dazu gehören auch die die vielen Gigs und Plattenaufnahmen mit amerikanischen Musikern der allerersten Reihe. Was sich als einigermassen dauerhaft erweisen sollte, war seine langjährige Zusammenarbeit mit dem katalanischen Pianisten Tete Montoliu in den siebziger Jahren und später seine Anstellung als Basslehrer an der Swiss Jazz School, Bern, während fünf Jahren.
Die psychologisch-soziologische Seite des Jazz
Weil hier mehr Text den Rahmen überschreiten würde, beschränkt sich dieser Beitrag darauf, nur die ersten Jahrzehnte von Erich Peters Leben etwas näher zu beschreiben. Erich Peter starb nach langer Krankheit am 9. Juli 1996. Seine Asche wurde im namenlosen Gemeinschaftsgrab (!) auf dem Friedhof Rosengarten in Aarau beigesetzt. Bruno Rubs Buch ist allen zu empfehlen, die sich über rein Akustisches hinaus auch für die psychologisch-soziologische Seite des Jazz interessieren. Es schliesst mit einem eindrucksvollen Nachruf des Pianisten Vince Benedetti, mit dem zusammen Erich Peter in seinen letzten Jahren viele musikalische Höhepunkte erlebt hat.
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Urs Tremp „Ennetbadener Post“, Sept. 2007
Aussenseiter und Auswanderer
In diesem Herbst erscheinen gleich zwei Bücher, die von Ennetbadenern verfasst wurden: eine Jazz-Biografie und eine Dokumentation über Schweizer Abessinien-Auswanderer.
Er hat mit vielen Grössen und auch mit den ganz Grossen der Jazzszene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gespielt: Mit Dizzy Gillespie, Chet Baker, Ben Webster oder Paco de Lucia. Doch knapp ein Dutzend Jahre nach seinem Tod kennt kaum mehr jemand den Namen des Jazzbassisten (1935-1996). Sogar in Aarau, wo Peter aufgewachsen ist, wo er immer gelebt hat und wo er schliesslich auch gestorben ist, gibt es nur noch einen kleinen Kreis, der sich an den Jazzmusiker erinnert. Es ist das Verdienst des Ennetbadener Jazzexperten Bruno Rub, 62, dass dem Musiker, dem bei seinem Ableben nicht einmal ein Nachruf in der hiesigen Presse vergönnt war, doch noch ein Denkmal gesetzt wird. Rub, lange Jahre Jazz-Redaktor bei Radio DRS, ist auf Spurensuche gegangen und zeichnet in der 120-seitigen Biografie «Der Teamplayer» das Bild einer ausserordentlichen Begabung. Er beschreibt den Weg eines Musikers, dem die Provinz schon in jungen Jahren zu eng wurde, der in London, Rom und Barcelona Seinesgleichen traf, der aber auch die Schattenseiten des Musikerlebens lebte: depressiv, drogensüchtig und häufig einsam. Weggefährten kommen zu Wort, Konzert- und Plattenkritiken werden zitiert. Und liebevoll beschreibt Rub die Örtlichkeiten von Peters Wirken. Er ist ihnen nachgereist und hat unter den Jahrringen Zeichen und und Stimmen ausfindig gemacht. Rubs Buch listet ausserdem sämtliche Schallplatten und CDs auf, auf denen Erich Peter mit den verschiedensten Musikern zu hören ist. Eine beigelegte CD vereint neun Aufnahmen mit dem Aarauer Bassisten. «Der Teamplayer» ist ein schönes Denkmal für einen fast Vergessenen, aber auch der Beweis, dass lokale Heimatforschung immer wieder ausserordentliche Geschichten zu Tage fördern kann.
(Es folgt die Besprechung des Buchs «Briefe aus Abesinien» von Rolf Meier, ebenfalls im Verlag hier + jetzt erschienen, das aber thematisch nicht in diesen Kontext passt.) -
Joe Viera, Jazz-Zeitung, Regensburg, April/Mai 2009
Bruno Rub: Der Teamplayer Erich Peter (1935-1996)
Es dauerte lange, bis in Europa zumindest einzelne Bassisten ihren amerikanischen Kollegen in Tonbildung, Phrasierung und harmonischem Verständnis näherkamen. Der erste in der Schweiz war Erich (Eric) Peter. Da ein Jazzmusiker dort zu jener Zeit von seiner Musik nicht leben konnte, ging Erich Peter schon bald ins Ausland, erst nach England (1955-57), später nach Frankreich, Deutschland und Italien und dann für 15 Jahre (1962-77) nach Spanien, wo er vor allem mit Tete Montoliu spielte. Später unterrichtete er eine Zeitlang an der Swiss Jazz School in Bern und trat daneben in vielerlei ad-hoc-Besetzungen auf, ein vorzüglicher und geschätzter Begleiter, eben ein Teamplayer, wie sie auch der Jazz braucht. Viel zu früh starb er mit mit nur 61 Jahren – ein grosser Verlust nicht nur für die Schweiz.
Leider enthält dieses lobenswerte Buch kein Register, aber eine Diskographie und eine CD mit neun Aufnahmen, unter anderem mit Bud Bud Powell, Victor Feldman, Tete Montoliu Ben Webster, Pedro Ituralde und Heinz Bigler. Bleibt die Frage, wer ein Buch über Peter Trunk schreibt, der eine solche Würdigung genug verdient hat.
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Reiner Kobe, Jazz-Podium, Stuttgart, Feb. 2008
Der Teamplayer Erich Peter
Im Standardwek über den Jazz in der Schweiz, das vergangenes Jahr erschienen ist, taucht sein Name nur in der Diskografie auf, nicht jedoch im biografischen Teil. Auf diesen beklagenswerten Umstand weist nun Bruno Rub hin. Er hat Erich Peters Biografie geschrieben, eines Landsmann, der ebenfalls aus dem Aargau stammt. Er versteht sein Buch alls «Beitrag zur Geschichte der aargauischn Subkultur im Allgemeinen und des Aarauer Jazz im Besonderen». Dazu hat der Publizist, der lange Jahre als Jazz-Redakteur für Radio DRS tätig war, Zeitgenossen, Weggefährten und Kollegen befragt.
Der Autor erzählt die Geschichte Erich Peters chronologisch. Der Bassist, einer der ersten Schweizer Jazzmusiker, die eine profesionelle Karriere im modernen Jazz machten und der mit «Pionier- und Schlüsselfiguren des frühen helvetischen Jazz» gespielt hat, hätte mehr Beachtung verdient. In den frühen 50er Jahren brach Peter aus der provinziellen Enge des Aargaus aus, um in den europäischen Grossstädten mit den Besten ihres Fachs, darunter Dizzy Gillespie, Dexter Gordon oder Tete Montoliu, seine bevorzugte Musik zu spielen. Er war gesuchter Sideman in Bebop- und Hardbop-Gruppen, seine Begleitung war immer einfach und transparent. Er galt «bald als einer der gefragtesten Bassisten» und hatte sich – inspiriert von Horace Silver und Sonny Rollins Trio - «definitiv der europäischen Jazz-Phalax eingereiht». Zum Ende seiner Karriere hin, nach Hause zurückgekehrt, verdingte er ich als Lehrer an der Swiss Jazz School in Bern. Fern jeglicher Theorie galt er dort als «anachronistische Erscheinung». Auch der Mensch Eric Peter wird gewürdigt, wenn Rub beiläufig die Drogenabhängigkeit erwähnt, die kaum wahrzunehmen war. «Komplikationen gab es für den Nachtmenschen von Berufs wegen...vor allem auch deswegen», heisst es «weil er sich in den prktischen Belangen des Lebens häufig schwer tat und in seiner Verhaltensweise gelegentlich an Jacques Tati - im Aussehen allerdings eher an dessen Geistesverwandten Buster Keaton – erinnerte». Eine Diskografie, verfasst von Arild Widerøe, sowie die beiliegende CD runden den Band ab. Er vermittelt über die Lebensgeschichte hinaus wichtige Einblicke in die lokalen, nationalen und internationalen Jazzszenen der Jahre 1950 bis 1960.